Vom Grauen der bewussten Vernichtung menschlichen Lebens

13. Juni 2022

„In der Nazizeit haben auf Hitlers persönlichen Erlass zwischen 1939 und 1945 Ärzte und ihre Mithelfer ungefähr 200.000 psychisch kranke Menschen getötet. Sie haben sie für ‚lebensunwert‘ erklärt, entwürdigt, gequält und ermordet. Die Täter waren nicht wenige, sondern der Mehrheit, die Elite der deutschen Psychiater.“  

Diese Zeilen stammen von Prof. Michael von Cranach und finden sich im Vorwort zu Robert Domes‘ Buch „Nebel im August“. Am 17.5.2022 war Prof. Cranach an unserer Schule zu Besuch und hat der neunten und elften Jahrgangsstufe von seinen jahrzehntelangen Forschungen zur Euthanasie, insbesondere zur Rolle der „Elite der deutschen Psychiater“ im Dritten Reich spannend und kenntnisreich berichtet.  

Prof. von Cranach, selbst Psychiater und über ein Vierteljahrhundert leitender ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren, schilderte anschaulich, was seinen Vorvorgänger im Amt bewogen haben könnte, sich als Gutachter für die sog. „Aktion T4“ zur Verfügung zu stellen und nach deren Beendigung 1941 eine perfide Hungerkost zu ersinnen, die die ihm anvertrauten Kranken „unauffällig“ verhungern ließ.  

Beklemmend auch zu hören, mit welcher Leichtigkeit viele dieser Psychiater nach dem Krieg ihre Karrieren fortsetzen konnten – offenbar ohne jedes Schuldbewusstsein und nicht selten in späteren Jahren mit allerlei Ehrungen bedacht.  

Prof. von Cranach verwies beispielsweise auf eine Aussage von Julius Hallervorden, renommierter Hirnforscher am Kaiser-Wilhelm-Institut, aus dem Jahr 1946. Befragt, was ihn bewogen habe, über 700 Gehirne von ermordeten Patienten für seine „wissenschaftlichen Forschungen“ zu verwenden, gab er zur Antwort: Es habe sich hier um überaus interessantes „Material“ von „wunderbaren Schwachsinnigen“ gehandelt, das man unmöglich habe zurückweisen können. Das Ganze sei eine „wunderbare Schweinerei“ gewesen. Ungeachtet dessen wurde Julius Hallervorden 1956 das Große Verdienstkreuz verliehen - trotz wunderbarer Schweinereien also eine wunderbare Karriere. 

In der abschließenden Diskussionsrunde hatten die Schülerinnen und Schüler Gelegenheit, Fragen an Prof. Cranach zu richten. Die vielen guten Fragen zeigten, dass das Interesse an der Thematik von Euthanasie und deren Aufarbeitung offenbar auch bei jungen Menschen groß ist.  

 

Die von Prof. Cranach konzipierte Ausstellung „In Memoriam“ war bis zum 25.5. in den beiden Kulturräumen unserer Schule zu sehen. 

 

Bericht: Volker Pöhlmann